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Und morgen wärst Du 19

November 23, 2021 - Lesezeit: 4 Minuten

Der Abend vor Deinem Geburtstag und meine Gedanken kreisen um Dich, wie immer in dieser Zeit. Die letzten Tage waren grau und trübe, selbst am Totensonntag konnte man kaum die Sonne sehen. Der Friedhof aber war voller Menschen, die an ihre Liebsten gedacht haben. Das fand ich schön, und Mascha auch. Auch Dein Grab war wie immer bunt mit Heide bepflanzt und dazu die vielen kleinen Figuren, die wir Dir immer wieder bringen. Am Sonntag ist der Elefant von der Sendung mit Maus dazugekommen und ein Elf. Das passt nicht für eine 19jährige, aber das Thema hatten wir schon mal. Du bist nun einmal nur achteinhalb Jahre bei uns gewesen und ich weiß leider nicht, was Deinem 19jährigen Ich gefallen würde.

Hier zu Hause warten nun der kleine Maulwurf und ein Teddy mit Herzchen darauf, dass sie morgen zum Friedhof gebracht werden, ein bißchen lahm, ich weiß. Aber erinnerst Du Dich an die Geschichte vom kleinen Maulwurf und seiner Hose mit den großen Taschen, die hast Du geliebt - so wie ich als Kind übrigens auch. Neulich haben wir an einer Raststätte eine Dekoecke mit einem riesigen kleinen Maulwurf gesehen. Ich musste das sofort fotografieren und Deiner Schwester schicken. Sie fand es auch so süss und beide haben wir sofort an Dich gedacht. Diese Momente sind pures Glück für mich, weil ich das Gefühl habe, dass ich Dir dann nah sein kann, für einen winzigen Augenblick. Deshalb und vielleicht auch weil es deprimierend ist, dass das große C unser Land wieder fest im Griff hat, habe ich in diesem Jahr schon am Totensonntag die Adventsdekoration herausgeholt. Am Balkon leuchtet eine neue Lichterkette, der Schwibbogen steht am Fenster und natürlich habe ich die Krippe, die Pyramiden und Räuchermänner, die bei uns nicht räuchern dürfen, hingestellt. Ich habe das seit Euren Kindertagen zelebriert, wir haben abends die Pyramidenkerzen angemacht, das Zimmer war dunkel und ihr habt die sich drehenden Figuren bestaunt. Und dann, weißt Du noch Johanna, haben wir oft eine Weihnachts-CD angemacht, Rolf Zuckowski zum Beispiel mit "In der Weihnachtsbäckerei" und ihr habt lauthals mitgesungen und getanzt. Und natürlich durften Petterson und Findus nicht fehlen, der alte Mann und der lustige Kater waren Deine Helden. Die Welt da draußen konnte uns dann egal sein, der Krebs, die Klinik und Therapie waren für einen Moment vergessen. Diese stimmungsvolle Zeit war Balsam für die Seele und das Herz, und ich denke und hoffe, das war auch für Dich so. Genau das wollte ich uns dieses Jahr wieder ins Haus holen und es gelingt mir, zumindest ein bißchen.

Morgen, liebe Johanna, an Deinem 19. Geburtstag wollen wir gemeinsam eines Deiner Lieblingsgerichte kochen, Nudeln mit Lachs und Spinat. Das war immer lecker, stimmts? An der Nordsee hattest Du allerdings einmal so leckeren Fisch - entschuldige, ich korrigiere, Du isst ja keinen Fisch nur Lachs, hihi - dass Dein Gehirn damit offensichtlich überfordert war. Der Krampfanfall, der darauf folgte, war natürlich mit Atemstillstand - im vollbesetzten Restaurant eine nicht ganz einfache Situation, die wir glücklicherweise recht schnell in den Griff bekamen. Wir waren da halt schon geübte Intensivkind-Eltern. Aber danach haben wir immer ein besonderes Auge auf Dich gehabt, wenn es Lachs gab. Trotzdem hast Du ihn wirklich gern gegessen, aber solche Episoden prägen sich halt ein. Ist schon komisch, dass es mir das gerade jetzt wieder einfällt.

Ich hab auch Deine Engel aufgestellt. Du hast nur 8 davon selbst gesehen, denn jedes Weihnachten haben meine Eltern, Deine Großeltern, Dir einen geschenkt. Du solltest an Deinem 18. Geburtstag eine kleine Engelskapelle haben, genau wie Deine Schwester - Deine erste Advents-Ausstattung aus dem Erzgebirge, da hat Dein Opa seine Wurzeln. Morgen wäre Dein 19. Geburtstag und nun habe ich die Kapelle. Es sind nur 17 Engel -  einer ist wohl verloren gegangen beim Umzug in unser neues altes Haus. Das erscheint mir passend, vielleicht ist er ja bei Dir gelandet. Du bist uns jedenfalls nicht verloren gegangen, Du bist immer bei uns, in unseren Gedanken und in unseren Herzen und das wird immer so sein. Happy Birthday Johanna, in Liebe Deine Mama.

About

Ich bin Daniela und habe diesen Block begonnen, um die Chemotherapie unserer Tochter Johanna zu dokumentieren. Dass daraus ein Blog über die Verarbeitung von Trauer über den Verlust des eigenen Kindes werden würde, hab ich nicht vorausgesehen. Hier möchte ich ihre Geschichte erzählen, damit sie nicht vergessen wird. Aber vielleicht kann ich anderen Betroffenen auch ein wenig helfen.