Eine Geburtstagstorte für die Katze an Deinem 21. Geburtstag

November 23, 2023 - Lesezeit: 4 Minuten

Heute war es den ganzen Tag grau und regnerisch, ein Wetter zum sich verkriechen. Der Blick auf die Wetter-App zeigt, morgen wird es auch nicht besser, aber morgen ist Dein Geburtstag. Ich möchte die trüben Gedanken vertreiben, setze mich an den Laptop und scrolle durch unsere Bildergalerie. Ich suche nach schönen Tagen im Herbst und finde Bilder von 2008. Wir waren auf einer Halloween-Party bei unserem Pflegedienst, Du und Deine Schwester sind als Hexen verkleidet und sogar geschminkt. Auf dem nächsten Bild sieht man Deinen kritischen Blick in den Spiegel - das war wohl zu viel Schminke für Deinen Geschmack, Du guckst schon sehr finster und ich muss lachen. Na dann schauen wir mal, was ich noch finde. Ein Jahr zuvor haben wir zusammen mit Oma und Opa einen Ausflug in den Tierpark gemacht. Du hast sichtlich Spass im Streichelzoo bei den Ziegen und Schafen, obwohl Du auch ordentlich Respekt hattest, denn viel größer als die Vierbeiner bist Du nicht und in diesem Jahr zwar schon laufend unterwegs, aber brauchst noch immer eine Hand, die Dich hält. Ich erinnere mich auch ohne Fotos gut an diesen Ausflug. Es war zwar auch kalt und windig, aber ein wunderschöner Tag, den wir als Familie sehr genossen haben.

Ich schaue weiter und lande im Jahr 2006, sehe Dich ohne deine roten Locken. Das war eine schwierige Zeit, voller Krisen, aber ich möchte bei den schönen Tagen bleiben und suche weiter. Das Jahr 2009 - Dein 7. Geburtstag ist der erste, den Du als Schulkind gefeiert hast. Dein Pflegebett ist mit einer Piraten-Geburtstags-Girlande geschmückt, denn Deine Vorliebe für Antihelden war da schon sehr ausgeprägt. Im Bett ordentlich aufgereiht sitzen der kleine König, die Prinzessin und all Deine Puppen. Da ist auch Paul, die Babypuppe - Du hattest Dir unbedingt einen Jungen gewünscht und ihn an diesem Tag bekommen. In der Ecke gleich neben dem Pferd Greta sitzt Malte, Dein Plüschdinosaurier und auch zu dem gibt es eine Geschichte.  Malte ist eigentlich ein Junge aus einem Buch, der ziemlich frech und ungezogen ist. Die Sternenschaukel war eines Deiner Lieblingsbücher, wir haben oft daraus vorgelesen. Irgendwann hast Du Deinen Dino dann Malte getauft, offensichtlich war er wohl auch frech - zumindest in Deiner Phantasie.  Ein paar Fotos weiter sieht man Dich tief schlafend in Deinem Bett. Du warst den ganzen Tag so aufgedreht und glücklich, dass es Dich am Abend regelrecht umgehauen hat. Von einem Moment auf den anderen war Stille. Als ich das sah, musste ich es unbedingt fotografieren. So wie ich jetzt weitergehen muss, zum nächsten Jahr. Vom November habe ich hier nur wenig Fotos, in dem Jahr hattest Du Dir die Windpocken eingefangen, ein kurzer Klinikaufenthalt war notwendig und danach warst Du noch eine ganze Weile sehr geschwächt. Deinen Geburtstag haben wir daher ganz ruhig gefeiert mit Oma und Opa bei uns zu Hause. Da ist ein Foto von Deinem Geburtstagstisch. In dem Jahr hast Du Deine Kochschürze bekommen und und Deine Uroma hatte Dir Pulswärmer genäht. Du sahst sehr lustig aus mit der Kochschürze und den Pulswärmern an den Händen, wolltest aber beides den ganzen Nachmittag und Abend anbehalten. Bei dem kalten Wetter heute wären die Pulswärmer eigentlich keine schlechte Idee, aber ich glaube, wir haben die nicht mehr, aber das Buch "Eine Geburtstagstorte für die Katze", das Du auch zu Deinem 8. Geburtstag bekommen hast, das haben wir noch und damit schließt sich der Kreis. Die Geschichten von Petterson und Findus sind für uns so fest mit Dir verbunden. Ich hole das Buch aus dem Schrank und blättere darin. Sofort fällt mir ein, dass wir genau wegen dieser Geschichte zu Deinem Geburtstag ein paar Jahre später versucht haben, eine Eierkuchentorte zu backen. Das ist genau wie im Buch mehr oder weniger gut gelungen, aber darauf kam es nicht an, denn seit 2011 mussten wir Deinen Geburtstag ohne Dich feiern und da war es einfach schön, Dir auf diese Art nah zu sein. Findus hat inzwischen auch seinen festen Platz auf Deinem Grab. Er sitzt auf einem Stein und schaut aus, als würde er jeden Augenblick eine von seinen phantastischen Ideen haben. Um ihn herum blüht die Heide, bunt und schön. Morgen werden ein paar kleine lustige Schneemänner dazukommen und ich glaube, Deine Schwester hat auch eine Überraschung für Dich besorgt. Und morgen Abend werden wir wohl gemeinsam noch einmal "Eine Geburtstagstorte für die Katze" lesen und so bei Dir sein. Diesmal gibts wohl keine Sonne hier unten, aber Du siehst bestimmt die Sonne strahlen, und der Mond und  die Sterne scheinen nur für Dich. Happy Birthday, liebe Johanna, in Liebe Mama


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Und morgen wärst Du 19

November 23, 2021 - Lesezeit: 4 Minuten

Der Abend vor Deinem Geburtstag und meine Gedanken kreisen um Dich, wie immer in dieser Zeit. Die letzten Tage waren grau und trübe, selbst am Totensonntag konnte man kaum die Sonne sehen. Der Friedhof aber war voller Menschen, die an ihre Liebsten gedacht haben. Das fand ich schön, und Mascha auch. Auch Dein Grab war wie immer bunt mit Heide bepflanzt und dazu die vielen kleinen Figuren, die wir Dir immer wieder bringen. Am Sonntag ist der Elefant von der Sendung mit Maus dazugekommen und ein Elf. Das passt nicht für eine 19jährige, aber das Thema hatten wir schon mal. Du bist nun einmal nur achteinhalb Jahre bei uns gewesen und ich weiß leider nicht, was Deinem 19jährigen Ich gefallen würde.

Hier zu Hause warten nun der kleine Maulwurf und ein Teddy mit Herzchen darauf, dass sie morgen zum Friedhof gebracht werden, ein bißchen lahm, ich weiß. Aber erinnerst Du Dich an die Geschichte vom kleinen Maulwurf und seiner Hose mit den großen Taschen, die hast Du geliebt - so wie ich als Kind übrigens auch. Neulich haben wir an einer Raststätte eine Dekoecke mit einem riesigen kleinen Maulwurf gesehen. Ich musste das sofort fotografieren und Deiner Schwester schicken. Sie fand es auch so süss und beide haben wir sofort an Dich gedacht. Diese Momente sind pures Glück für mich, weil ich das Gefühl habe, dass ich Dir dann nah sein kann, für einen winzigen Augenblick. Deshalb und vielleicht auch weil es deprimierend ist, dass das große C unser Land wieder fest im Griff hat, habe ich in diesem Jahr schon am Totensonntag die Adventsdekoration herausgeholt. Am Balkon leuchtet eine neue Lichterkette, der Schwibbogen steht am Fenster und natürlich habe ich die Krippe, die Pyramiden und Räuchermänner, die bei uns nicht räuchern dürfen, hingestellt. Ich habe das seit Euren Kindertagen zelebriert, wir haben abends die Pyramidenkerzen angemacht, das Zimmer war dunkel und ihr habt die sich drehenden Figuren bestaunt. Und dann, weißt Du noch Johanna, haben wir oft eine Weihnachts-CD angemacht, Rolf Zuckowski zum Beispiel mit "In der Weihnachtsbäckerei" und ihr habt lauthals mitgesungen und getanzt. Und natürlich durften Petterson und Findus nicht fehlen, der alte Mann und der lustige Kater waren Deine Helden. Die Welt da draußen konnte uns dann egal sein, der Krebs, die Klinik und Therapie waren für einen Moment vergessen. Diese stimmungsvolle Zeit war Balsam für die Seele und das Herz, und ich denke und hoffe, das war auch für Dich so. Genau das wollte ich uns dieses Jahr wieder ins Haus holen und es gelingt mir, zumindest ein bißchen.

Morgen, liebe Johanna, an Deinem 19. Geburtstag wollen wir gemeinsam eines Deiner Lieblingsgerichte kochen, Nudeln mit Lachs und Spinat. Das war immer lecker, stimmts? An der Nordsee hattest Du allerdings einmal so leckeren Fisch - entschuldige, ich korrigiere, Du isst ja keinen Fisch nur Lachs, hihi - dass Dein Gehirn damit offensichtlich überfordert war. Der Krampfanfall, der darauf folgte, war natürlich mit Atemstillstand - im vollbesetzten Restaurant eine nicht ganz einfache Situation, die wir glücklicherweise recht schnell in den Griff bekamen. Wir waren da halt schon geübte Intensivkind-Eltern. Aber danach haben wir immer ein besonderes Auge auf Dich gehabt, wenn es Lachs gab. Trotzdem hast Du ihn wirklich gern gegessen, aber solche Episoden prägen sich halt ein. Ist schon komisch, dass es mir das gerade jetzt wieder einfällt.

Ich hab auch Deine Engel aufgestellt. Du hast nur 8 davon selbst gesehen, denn jedes Weihnachten haben meine Eltern, Deine Großeltern, Dir einen geschenkt. Du solltest an Deinem 18. Geburtstag eine kleine Engelskapelle haben, genau wie Deine Schwester - Deine erste Advents-Ausstattung aus dem Erzgebirge, da hat Dein Opa seine Wurzeln. Morgen wäre Dein 19. Geburtstag und nun habe ich die Kapelle. Es sind nur 17 Engel -  einer ist wohl verloren gegangen beim Umzug in unser neues altes Haus. Das erscheint mir passend, vielleicht ist er ja bei Dir gelandet. Du bist uns jedenfalls nicht verloren gegangen, Du bist immer bei uns, in unseren Gedanken und in unseren Herzen und das wird immer so sein. Happy Birthday Johanna, in Liebe Deine Mama.


Was wäre, wenn Du erwachsen wärst?

November 23, 2020 - Lesezeit: 4 Minuten

Wie schon im Sommer fällt es mir schwer zur Ruhe zu kommen, mitten in einer Pandemie. Die hitzigen Diskussionen, verrückte Menschen auf den Straßen, die einfach behaupten, Corona gibt es nicht, nur um keine Maske tragen zu müssen. Neben dem Unverständnis dafür kommt mir der Gedanke, was wäre, wenn Du noch bei uns wärst? Du wärst 18 Jahre alt, ein junger Mensch, gehörtest zur Risikogruppe zweifellos, na und? Wir haben Freunde mit einer Tochter, Linn ist tracheotomiert so wie Du, schwerbehindert und inzwischen beatmet. Doch sie ist eben vor allem eins, ihre Tochter, die sie lieben. Sie hat auch eine Schwester, so wie Du, die Linn auch liebt und vermissen würde. Wer will schon mutwillig ein Familienmitglied verlieren und dabei ist egal, wie alt oder krank der geliebte Mensch ist. Covid19 ist eine Gefahr, die für diese Familie unkalkulierbar ist und doch müssen sie damit leben, während andere von Liebe und Freiheit faseln, ohne Maske und Abstand.

Genauso würde es uns gehen, wenn Du noch bei uns wärst. Wenn Maske tragen und Hände waschen, die Lösung gegen den Krebs gewesen wäre, wir hätten das selbstverständlich getan, wenn auch nur die geringste Chance bestanden hätte, Dich zu retten. Und hier ist der wesentlich Unterschied, ich weiß genau, man kann den Tod nicht unbedingt aufhalten, aber ihn billigend in Kauf nehmen? Deshalb bin ich oft so wütend, wenn ich höre, es sterben ja eh nur die Alten und Vorerkrankten, denn damit meinen sie auch Dich und Linn, die Tochter von unseren Freunden. So nun ist es raus, das musste sein. Nun will ich über etwas anderes nachdenken, Deinen Geburtstag. Morgen wirst Du 18 Jahre alt. Ich habe - diesmal mit Mascha - überlegt, was Dich heute interessieren würde, welche Musik Du hören würdest, welche Bücher Du liest. Wir waren uns einig, dass Du Dich für Politik interessiert hättest, bei allem anderen wird es schon schwieriger. Mascha hat dann sehr treffend bemerkt, dass Du nun einmal mit 8 Jahren gestorben bist. Sie findet es nicht schlimm, wenn man Dir Dinge kauft, die Dir als Kind gefallen haben. Das beruhigt mich, denn ganz ehrlich, ich wünsche mir zwar, dass Dir dieselben Sachen gefallen wie uns, aber wissen kann ich das nicht.

Wir waren schon an Deinem Grab am Totensonntag. Es sieht schön bunt aus, Oma und Opa haben Heide in bunten Farben gepflanzt. Dazwischen findet sich der Kater Findus, der kleine Maulwurf und jede Menge Engel und Elfen - so recht weiß ich nicht, ob Du dich jemals für Engel begeistert hast. Eigentlich glaub ich, Du mochtest eher Hexen - das sollte ich mir merken, aber ob es davon überhaupt niedliche Figuren gibt? Wer will schon eine häßliche Hexe auf dem Grab? Irgendwie vermehren sich die Engel von selbst, vielleicht weil man unwillkürlich denkt, dass Du nun auch ein Engel bist. Aber auch ein Mini-Olchi steht noch immer dort. Diese kleinen Kobolde hast Du ganz zum Schluss kennengelernt. Oma hatte Dir ein Buch ins Krankenhaus gebracht und es Dir vorgelesen. Es hat so gut getan, Dich kichern zu hören. Als ich nun losging, um noch ein Geschenk für Dich zu besorgen, hab ich einen kleinen Eisbären entdeckt und dachte sofort an Lars, der Eisbär. Diese Geschichten hast Du geliebt, als Du noch ganz klein warst. An dem Tag, an dem man den Tumor fand, bist Du nach der Narkose aufgewacht und hast gesagt "Lars Eisbär". Das war knapp einen Monat vor Deinem zweiten Geburtstag. Ich erinnere mich ganz genau daran, fast kann ich Deine flüsternde Stimme hören. Am nächsten Tag war die Tumor-Operation und danach war alles anders. Es hat zwei Monate gedauert, bis wir uns sicher waren, Du kommst zu uns zurück. In dieser Zeit habe ich - neben vielen anderen Kassetten - sehr oft Lars Eisbär für Dich angestellt. Also nimms mir nicht übel, Johchen, wenn wir Dir zu Deinem Geburtstag einen kleinen Eisbären schenken. Eine Schneemannfigur habe ich Dir auch gekauft, erstaunlich kuschlig, sie glitzert sogar, sieht ein bisschen nach "Mädchen" aus. Mein gedankenvoller Kopf fragt sich schon wieder, ob Du das gut oder auch ein bisschen schräg findest. Wie schon gesagt, ich weiß es nicht, kann es nicht wissen, leider.

Morgen wollen wir wieder backen, Lebkuchen. Das haben wir schon mal gemacht, erinnerst Du Dich? Mal schauen, welche Figuren sich Deine Schwester diesmal überlegt hat. Beim letzten Mal waren es der Elefant und die Maus, diese Sendung mochtest Du auch sehr. Lass Dich überraschen. Ich hoffe, Du siehst es durchs Küchenfenster, und für uns bist Du sowieso dabei, immer. Happy Birthday, Johanna.


Sweet Sixteen

November 24, 2018 - Lesezeit: 5 Minuten

Wieder ein Geburtstag ohne Dich, der Achte inzwischen. Nun bist Du fast genauso lange fort, wie Du bei uns gelebt hast. Ich hab nachgerechnet: 8 Jahre 8 Monate und ein paar Tage - 16 um genau zu sein. So alt bist Du gewesen an diesem 9. August 2011. Deiner Schwester hatte ich zum 16ten ein kleines Album geschenkt mit 16 Porträtaufnahmen – für jedes Lebensjahr eine. Ich weiß noch genau, wie gerührt ich war, sie so noch einmal zu sehen. Angefangen mit dem winzigen Babygesicht bis hin zu dem hübschen jungen Teenager. Die Veränderung war beeindruckend und doch schaute aus jedem Bild unverkennbar Mascha heraus. Heute ist sie 19, also erwachsen, etwas, was für Dich nie möglich erschien und doch haben wir uns nichts mehr gewünscht. Ich habe in den letzten Jahren oft versucht, mir Dich vorzustellen und es fällt mir von Jahr zu Jahr schwerer. Wenn ich Deinen Vater ansehe, denke ich oft, Du könntest ihm noch ähnlicher sein als damals, vielleicht nicht ganz so groß, doch mit langen Beinen – und natürlich ohne Bart, aber mit langen rotblonden Locken. Zumindest die störrischen Haare hattest Du ja von mir. Ab hier fängt es an schwierig zu werden und es schmerzt, nachzudenken über etwas, das man nicht haben kann, nie haben wird.

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Erinnerungen an das Geburtstagskind und die Torte, die es nie gab

November 23, 2014 - Lesezeit: 10 Minuten

Geburtstage sind immer besonders, gerade beim eigenen Kind. Man schwelgt in Erinnerungen und freut sich auf die Zukunft, das nächste Jahr, den nächsten Schritt. Doch wo keine Zukunft mehr ist, bleibt die Erinnerung, so hell und klar, als wäre es gestern gewesen. Der Tag ihrer Geburt, ein Sonntag und sie hatte es furchtbar eilig, auf diese Welt zu kommen, als wüßte sie, dass ihr nur eine kurze Zeit bleibt. Sie war ein Sternengucker. Das sind ganz besondere Menschen, sagte uns damals die Hebamme. Sie sollte recht behalten. Weiterlesen


About

Ich bin Daniela und habe diesen Block begonnen, um die Chemotherapie unserer Tochter Johanna zu dokumentieren. Dass daraus ein Blog über die Verarbeitung von Trauer über den Verlust des eigenen Kindes werden würde, hab ich nicht vorausgesehen. Hier möchte ich ihre Geschichte erzählen, damit sie nicht vergessen wird. Aber vielleicht kann ich anderen Betroffenen auch ein wenig helfen.