Es ist schon wieder Sommer, unfassbar eigentlich, aber die Zeit vergeht. Sie blickt nicht zurück, so wie ich. Ich vermisse Johanna - noch immer, noch mehr. Früh am Morgen ist sie mir am nächsten, wenn alles noch still ist im Haus. Seit Wochen höre ich dann Philip Poisel. Der Weltschmerz in der Stimme des jungen Sängers trifft den meinen. Holt die Erinnerungen hervor, ganz besonders die traurigen. Aber diesmal weiche ich nicht aus, schiebe sie nicht weg. Ich denke, dass ich es aufschreiben muss - endlich. Der Tod gehört zum Leben, sagt man. Aber wo fängt man da an.
Am Tag ihrer Heimkehr vielleicht, ein Freitag, Ende Juli. Dieser Tag ist mir noch so präsent, als wäre es gestern gewesen und er fing so furchtbar an. Bei meiner Ankunft in der Klinik empfing mich die Stationsärztin. Johanna hätte heute in den frühen Morgenstunden einen Krampfanfall gehabt und es war nötig, sie zu beatmen, teilt sie mir mit. Sie fragt mich, ob wir denn auch schon heute mit einer Entlassung nach Hause einverstanden wären. Die Antwort ist klar und auch meine irrationale Freude darüber. Dabei ist mir bewusst, was dahinter steht. Die Ärzte haben Angst, dass sie es nicht schafft, dass sie auf der Intensivstation stirbt. Das will hier keiner. Jeder Tag zählt, nur das scheint wichtig. Dass an diesem Tag dann alles funktioniert, erstaunt mich auch zwei Jahre später noch. Das Palliativteam vom Kinderhospiz Sonnenhof kommt nur eine Stunde später, die Pflegekräfte vom Kinderintensivpflegedienst waren sowieso schon in die Klinik bestellt worden. Sie sollten an diesem Tag in die Handhabung der externen Ableitung eingewiesen werden und mit unserem Onkologen sprechen. Natürlich fließen bei diesem Gespräch Tränen, als ausgesprochen wird, dass Johanna nicht mehr viel Zeit hat, dass wir hier vielleicht von nur wenigen Tagen sprechen. Wir haben viele junge Leute im Team, einige haben schon selbst Kinder. Trotzdem wollen alle diesen Weg mit uns gehen. Das ist nicht selbstverständlich, nicht für uns. Wir können nicht fliehen vor dieser Situation - andere schon und niemand würde ihnen das zum Vorwurf machen. Aber sie wollen bleiben und für Johanna da sein - und für uns. In diesem Gespräch stellt sich dann auch heraus, dass bereits ein Nachtdienst für die Nacht bereitsteht, genauso für das Wochenende. Ab Montag können die Dienste, wie gewohnt, das heißt 8 Stunden tagsüber und 8 Nachtstunden gewährleistet werden. Das ist eine große Entlastung für uns. Wir sind nicht allein.
Den organisatorischen Aufwand ihrer Entlassung bekomme ich nur am Rande mit. Die Klinik stellt Medikamente bereit, überlässt uns leihweise zwei Infusionsgeräte, denn Johanna bekommt dauerhaft Antibiotika und Schmerzmittel. Da werden eiligst Listen erstellt, was zu Hause benötigt wird. Unser Intensivkindzimmer wird wohl deutlich aufgestockt, nur Sauerstoffgerät und Monitor reichen nicht mehr aus. Für den am Nachmittag eintreffenden Notarzt ist das auch ein Novum. Einen Intensivtransport nach Hause hatte er noch nie. Johanna ist, nachdem sie ihren Rausch vom Anfall am Morgen ausgeschlafen hat, munter und gut gelaunt. Sie freut sich auf zu Hause und scherzt mit dem Notarzt. Bei unserer Ankunft herrscht schon geschäftiges Treiben. Das Palliativteam ist schon vor uns angekommen und hat bereits mehrere Kisten Material mitgebracht: Medikamente, Verbandsmaterial usw. Der Lieferdienst eines Sanitätshauses bringt wenig später den Rest. Schnell wird Platz geschaffen für die neuen Geräte, Medikamente werden einsortiert. Nebenan in der Küche wird alles genau dokumentiert, Dosierungen und Zeiten für Medikamentengaben werden festgelegt. Da ist es hilfreich, dass Micha vom Fach ist. Auch bei ihm laufen nun Routinen ab, das passiert schon automatisch - auch wenn der Patient die eigene Tochter ist. Mein Gehirn streikt bei dieser Informationsflut. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich kann. Mache es Johanna im Bett gemütlich und lese ihr vor. Zwischendrin ermahnt mich die Ärztin, auch mal was zu trinken. Sie macht das nicht zum ersten Mal, das merkt man und hat auch immer einen Blick auf die Angehörigen der todkranken kleinen Patienten. Knapp zwei Stunden später können sie uns alleine lassen. Erstmal ist alles geklärt und es kehrt Ruhe ein. Wir fühlen die Erleichterung. Johanna ist zu Hause, bei uns und sie ist stabil - erst einmal. Keine weiteren Schmerzattacken heute, keine Anfälle und kurz nach 22 Uhr schläft sie friedlich ein.
Als Johanna am Samstagmorgen aufwacht, möchte sie am liebsten sofort aus dem Bett zum Legospielen. Micha kann sie nach dem Frühstück dann doch überreden, lieber erst einmal im Bett zu spielen. Ihre kleine Legowelt wird aufgebaut, sie spielt auf dem Bauch liegend, aber schon bald wird ihr der Kopf zu schwer. Sie legt ihn auf dem kleinen Nackenkissen ab, dass ich irgendwo rausgekramt habe. Nur wenig später möchte sie lieber eine Geschichte hören und schläft bald darauf erschöpft ein. Sie hat danach nie wieder gefragt, ob sie aus dem Bett darf. In den nächsten drei Tagen veränderte sie sich sehr - der laute, temperamentvolle Teil von Johanna verschwindet für immer. Am Montagmorgen darauf habe ich sie das letzte Mal laut singen gehört. Nur wenige Minuten später hatte sie eine sehr schlimme Kopfschmerzattacke. Micha muss zusätzlich Hirnwasser aus der externen Ableitung abziehen. Danach geht es ihr sofort besser. Sie hatte also offensichtlich Hirndruck, obwohl die Ableitung gut funktionierte. Immer häufiger gab es nun solche Schmerzepisoden, vor allem wenn sie sich bewegte.
Es wurde Zeit für den nächsten Schritt - Morphium, ein sehr starkes Schmerzmittel. Man erschrickt schon bei dem Namen und jeder weiß, was das bedeutet. Aber wir wollten nicht, dass sie Schmerzen hat. Die Ärztin legte die Einstiegsdosis fest, noch recht niedrig, aber dieses Medikament lief nun dauerhaft als Infusion. Es baut einen Spiegel auf, dass eben solche Schmerzattacken verhindern soll. Man kann zusätzlich jederzeit über die Pumpe eine extra Dosis auslösen, wenn sie doch Schmerzen haben sollte. Das wirkt dann sehr schnell, wie wir in den darauffolgenden Tagen feststellten. Insgesamt ging es ihr mit dem Morphin viel besser, anfangs wird sie sogar munterer und lächelt und lacht hin und wieder, aber schon bald tritt die Müdigkeit in den Vordergrund und Johanna schläft nun deutlich mehr. Bei der Körperpflege ist es trotzdem öfter nötig, ihr eine zusätzliche Dosis zu geben. Ihr Gehirn tolerierte einfach keine Bewegung mehr. So lag sie nun oft still in ihrem Bett und hörte Geschichten, ließ sich vorlesen. Dabei sprach sie nur noch wenig und wenn, dann hängte sie an viele Worte ein "L" an: Blüml, Bauchl, Neinl usw. Daran erinnere ich mich so genau, weil wir eine Weile brauchten, bis wir uns eingehört hatten. Am Anfang dachten wir, sie spricht irgendwelchen Quatsch, vielleicht aus Langeweile. Aber es hatte System und passte zu ihr, denn sie liebte Wortspiele. Wir haben sie nie danach gefragt. Ich habe überhaupt nicht viel gefragt, dabei hätte ich so gern gewusst, was sie dachte, ob sie "es" weiss, ob sie Angst hat. Ich wusste nicht wie. Ich finde es immer noch erstaunlich, wie ruhig sie war, wie sie das alles hinnahm. Sie wollte nur immer vorgelesen bekommen, solange bis sie müde wurde. Und sie schlief viel in diesen Tagen.
Es kam immer wieder Besuch: meine Eltern, meine Schwester und natürlich auch Michas Eltern und sogar seine Schwester konnte kurzfristig aus dem Rheinland kommen. Viele enge Freunde kamen vorbei, aber auch Schwestern vom Pflegedienst, wenn sie keinen Dienst hatten und sogar einige, die gar nicht mehr bei uns arbeiteten. Ich denke, so hatte Johanna wenigstens ein wenig Abwechslung und es war immer jemand da zum Vorlesen und es waren alles Menschen, die sie sehr mochte, denen sie vertraute. Auch für uns war das eine große Entlastung. Ihr Pflegebett füllte sich allmählich mit Geschenken: vor allem kleine Plüschtiere, sogar eine Olchifigur war dabei. Mascha malte Bildergeschichten, die wir an den Bettgittern befestigten, natürlich auf der linken Bettseite, denn Johanna lag nun meist auf der linken Seite. Und wir bekamen Bücher, oft per Post, denn auch Freunde von außerhalb wollten uns auf diese Weise unterstützen und Anteil nehmen. Mit Geschichten von den „Olchi´s“ und auch dem „kleinen Drachen Kokosnuss“ verstrichen die Tage. Einmal kam sogar eine Flaschenpost, die Johanna sehr lustig fand und sofort mit „Flaschl“ betitelte. Der Lesestoff ging uns nie aus. Mit leckerem Essen konnte man ihr auch noch eine Freude machen. Sie aß zwar meist zu ungewöhnlichen Zeiten - eben gerade dann, wenn sie wach wurde - aber das spielte keine Rolle. Wir waren beide zu Hause und konnten uns jederzeit an den Herd stellen. Nur getrunken hat sie nicht mehr so gut, das war sicher auch besonders schwierig im Liegen. Deshalb hat sie schon recht bald zusätzlich Flüssigkeit über einen Infusiomaten bekommen. Noch ein Gerät mehr an ihrem Bett, als ob das noch irgendeine Rolle gespielt hätte. Ihr Zimmer konnte es jetzt schon locker mit jeder Intensivstation aufnehmen. Da hatten wir eher noch ein ganz anderes Problem: Was ziehen wir Johanna an? Wir konnten ihr nichts mehr über den Kopf ziehen, wegen der externen Ableitung aus dem Kopf und von unten ging auch nicht, da hingen die Infusionen dran. „Überall Schläuche an dem Kind“, sagte ich damals und musste dabei doch ein wenig schmunzeln. Mein Versuch kurz nach ihrer Heimkehr vielleicht durchknöpfbare Blusen oder Hemden zu kaufen, scheiterte kläglich. Die Stoffe waren schrecklich und es gab auch kaum welche, mitten im Sommer. Wir lösten das Problem dann ganz simpel, wir schnitten ihre T-Shirts einfach hinten auf, eine gute Freundin kam vorbei und versah die Rückseiten mit Knöpfen. Problem gelöst - wenn der Rest nur auch so einfach gewesen wäre.
Einige Mitarbeiter vom Kinderhospiz Sonnenhof, die Johanna früher betreut hatten, haben sie auch besucht. Die meisten waren sicher erschrocken über unser meist still daliegendes Kind. Sie kannten sie anders - laut, fröhlich, temperamentvoll und voller Phantasie. Die Physiotherapeutin vom Kinderhospiz versicherte mir, dass wir das alles schon richtig machen, mein Mann und ich. Dafür brauchen wir keine professionelle Ausbildung. Unsere Liebe zu ihr und die Verbundenheit sind alles, was sie braucht, meinte sie. So machten wir einfach weiter. Es war nicht einfach, denn natürlich gab es immer wieder Probleme. Da waren zum einen, die Schmerzen, die trotz Morphium immer wieder auftraten und zum anderen die Verstopfung als ständiges Problem. Das ist eine sehr bekannte Nebenwirkung bei Morphium und verursachte auch wieder Schmerzen. Ein blöder Kreislauf, der sich kaum durchbrechen ließ. Rückblickend aber kann man sagen, dass es uns schon gelang, sie weitgehend schmerzfrei zu halten. Aber wir fragten uns oft, warum sie noch durchhält. Ich dachte, vielleicht bleibt sie wegen uns, vielleicht will sie nicht, dass wir traurig sind. Aber wie erklärt man einer 8jährigen, dass sie bald sterben wird. Ich entschloss mich eines Abends, mit ihr zu sprechen, ihr zu sagen, dass sie vielleicht bald ein Sternenkind wird und dass das schon in Ordnung ist. Dort oben geht es Dir dann bestimmt besser, dort kannst Du dann laufen und spielen wie früher, erklärte ich ihr. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich verstanden hat, denn sie nickte immer wieder. Die Geschichte von den Sternenkindern kannte sie gut, wir hatten sie schon so oft erzählt. Johanna hat selbst immer wieder erlebt, dass Kinder im Hospiz gestorben sind und wollte damals wissen, wo sie dann hingegangen sind. Es ist mir sehr schwer gefallen, so mit ihr zu sprechen, man sucht nach den richtigen Worten und findet keine. Ich fragte sie schließlich, ob ich denn die Geschichte vom kleinen Häwelmann vorlesen soll, der ja in seinem Bettchen auch die Sterne besucht hat. Da nickte sie wieder - es war eine ihre Lieblingsgeschichten. Sie hörte mir aufmerksam zu, aber gesprochen hat sie nichts mehr. Das vermisste ich so, ein richtiges Gespräch mit ihr. Eine gute Freundin sagte mir damals, obwohl Johanna so still ist, werden ihr wohl ganz viele Gedanken im Kopf herumgehen. Das dachte ich mir auch, aber vielleicht wollte sie nicht darüber sprechen oder hatte keine Worte dafür, genauso wie ich. Ich weiß es nicht, aber zumindest hatte ich an diesem Abend irgendwie das Gefühl, das Richtige gesagt zu haben.
Am nächsten Morgen, ein Freitag überraschte sie uns, denn plötzlich erzählte sie direkt beim Frühstück - im Bett natürlich - in vollständigen Sätzen die Geschichte von "Tom und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig". Wir waren so perplex, denn seit Tagen hatte sie nur noch einzelne Worte gesprochen. Es wurde ein schöner Vormittag, denn wir konnten gemeinsam mit ihr reden und lachen. Dank Internet konnte Johanna noch einige Folgen dieser schönen Zeichentrickserie ansehen. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie so klar war. Es passierte noch etwas Gutes an diesem Tag. Wir bekamen leihweise eine Antidekubitusmatratze und einen Liegewagen geliefert. So kam Johanna das erste Mal seit 14 Tagen wieder aus ihrem Zimmer. Nachdem sie die Umlagerungsaktion mehr oder weniger verschlafen hatte, wachte sie recht erstaunt im Wohnzimmer auf. Micha´s Mutter war gerade zu Besuch und konnte ihr vorlesen. So schön gesprochen hat Johanna leider nicht mehr. Sie schlief bald wieder ein, Morphium macht müde, aber es war schön, sie so nah bei uns zu haben, fast so wie früher. Das Umlagern am Abend gestaltete sich dann kompliziert, wegen all der Schläuche. Aber letzten Endes lag sie wie eine Prinzessin in ihrem Bett, der Kompressor der Matratze brummte leise und wir konnten sie von nun an unbesorgt auf ihrer linken Lieblingsseite liegen lassen, ohne Angst vor einer Druckstelle haben zu müssen.
An diesem Freitagabend bemerkte ich das erste Mal das Zucken in ihren Augen, die Pupillen erschienen mir sehr groß. Es war klar, woher das kommt - natürlich vom wachsenden Tumor. Das Fixieren wurde für sie immer schwieriger. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn sie einen so ansah. Doch als ich sie fragte, ob sie mich sehen kann, nickte sie. Johanna schlief nun sehr viel tagsüber und wurde stattdessen nachts immer unruhiger. Die Ärztin sagt uns, dass das "Normal" sei für diese "Phase". Am Montag entschlossen wir uns daher, sie samt Technik irgendwie mit dem Liegewagen raus auf den Balkon zu bringen. Ein schwieriges Unterfangen, aber es gelang uns. Es war ein warmer, sonniger Tag, nicht zu heiß, denn es wehte ein kräftiger Wind. Den spürte Johanna gleich und wachte auf. Sie sah die Balkonblumen, die für sie um die Wette blühten. Ihr "Blüml" und "Sturml" habe ich noch deutlich im Ohr. Es gab kleine Kuchenstückchen zum Vesper für sie auf dem Balkon und ich war glücklich - irgendwie. Es ist merkwürdig, wie deutlich ich mich an dieses Gefühl erinnern kann. Ich hatte mir schon seit Tagen gewünscht, sie irgendwie an die frische Luft zu bringen, raus in die Sonne und nun hatten wir es hinbekommen, ohne Schmerzen für Johanna.
Der nächste Morgen begann wie immer. Johanna brauchte bei der Morgenpflege eine extra Dosis Morphium, obwohl ich mir wie immer viel Zeit liess und sie nur langsam bewegte. Die Oma kam wieder zu Besuch, um ihr vorzulesen. Johanna flüsterte wie immer einige Worte mit, natürlich mit einem "L" dran. Es war, als wollte sie sagen: "ich höre zu, lies weiter". Zum Mittag gab es Lachsauflauf mit Nudeln, ihr Lieblingsessen. Sie aß nur ein bisschen davon, aber auch das war nicht ungewöhnlich. Gleich danach schlief sie ein. Micha machte sich auf den Weg, um einzukaufen. Er war kaum eine halbe Stunde weg, da rief mich die Krankenschwester. Irgendwas stimmte nicht mit Johanna. Was zunächst wie eine allergische Reaktion aussah, entwickelte sich schnell zu einem großen Krampfanfall. Wir reagierten beide automatisch, wie immer in solchen Situationen, absaugen und beatmen. Ich habe überhaupt nicht nachgedacht und als es mir dann bewusst wurde, atmete Johanna schon wieder selbständig, aber sie war noch immer tief bewusstlos. Ich gab ihr nur ein wenig mehr Sauerstoff. Die Krankenschwester hatte inzwischen die Palliativärztin angerufen, die schon auf dem Weg zu uns war. Ich telefonierte zitternd mit Micha, der auch sofort umkehrte. Beide kamen fast zeitgleich zu Hause an. Nachdem die Ärztin Johanna untersucht hatte, schlug sie zunächst vor, ihr ein stärkeres Anfallsmedikament über eine Infusion zu geben, um einen weiteren Krampfanfall zu verhindern. Noch während das Medikament vorbereitet wurde, bemerkte sie eine weitere Veränderung bei Johanna und schickte alle anderen raus. Sie macht sich auf den Weg, sagte sie leise zu uns. Ich setze mich an ihr Bett, die Hand auf ihrer Brust, Micha saß hinter mir und hielt ihre Hand. Ich glaube im Hintergrund lief „Petterson und Findus“ - ihre Lieblings-CD. Ihr Herz klopfte so laut, als wollte es aus der Brust springen, dabei lag sie ganz still, fast friedlich da. Sie hat keine Schmerzen, versicherte uns die Ärztin. Wir saßen sehr lange so, fast anderthalb Stunden. Der Monitor war schon längst ausgeschaltet, wir brauchten seinen Alarmton nicht. Und irgendwann war es "so still" an diesem 9. August vor zwei Jahren. Für das danach gibt es keine Worte, aber eines möchte ich noch schreiben: „Du hast genug gekämpft, mein Herz, mein unglaublich starkes, wunderbares Kind - meine Johanna“.