zwei Wochen Klinik - und dann endlich zu Hause

Juli 24, 2011 - Lesezeit: 5 Minuten

Schon nach dem MRT war klar, dass das hier etwas ganz anderes ist. Im letzten Kontroll-MRT vom April war er wohl schon ganz winzig zu sehen, wie unser Onkologe feststellen musste - so winzig, dass er übersehen wurde, weil ja alle auf die Wirbelsäule achteten. Das hätte ohnehin nichts geändert. Unsere erste Reaktion ist automatisch. Natürlich wollen wir etwas machen, weiterkämpfen, also beschließt man, eine Biopsie (Gewebsentnahme) am Tumor zu versuchen, um festzustellen, was für eine Art Tumor da gewachsen ist. Sie wollen Johanna in derselben OP einen internen Shunt legen, denn der Schlauch aus dem Kopf heraus "fesselt" sie ans Bett und an ein nach Hause gehen, wenn auch nur vorübergehend ist damit nicht zu denken. Wir stimmen zu und warten auf die OP am Freitag. Johanna hat sich von der ersten OP so schnell erholt, dass sie schon am nächsten Tag von der Intensivstation auf die onkologische Station verlegt worden ist. Wir schlafen abwechselnd bei ihr im Krankenhaus, aber es ist sehr eng in dem 2-Bett Zimmer mit 2 Kindern und jeweils einem Elternteil als Begleitperson. Im Verlaufe dieser Woche wird uns klar, dass wir eigentlich nur eines wollen - Johanna so bald wie möglich mit nach Hause nehmen.

Ob man dann noch eine Therapie versucht, kann man dann immer noch überlegen. Leider klappt die Op nicht so wie geplant. Die Biopsie enthält augenscheinlich zu wenig Material, aber man kommt an den Tumor nicht mehr ran, weil der Ventrikel in der OP kollabiert und ein interner Shunt kann auch nicht gelegt werden, weil im Liquor Blut und Tumorzellen schwimmen, die den Abfluss sofort blockieren würden. Sie bekommt einen neuen externen Shunt und landet wieder auf der Intensivstation. Wenige Stunden später muss man einsehen, dass auch dieser Shunt nicht funktioniert und sie wird noch am selben Abend wieder in den OP geschoben, nach dem man im CT überprüft hat, in welche Richtung man den Schlauch schieben muss, damit er wieder Liquor fördert. Zwei OP`s am Kopf an einem Tag waren ganz schön viel für unsere kleine Maus. Am nächsten Tag braucht sie lange um überhaupt wach zu werden, spricht dann nur wenig mit uns und bewegt sich kaum. Der Stationsarzt meint dazu nur, nach solchen Eingriffen wäre das Großhirn eben auch mal länger "beleidigt". Am Sonntag geht es ihr schon etwas besser und Montag ist sie zumindest mental wieder die Alte und auch motorisch ist sie agiler geworden. Es gelingt sogar sie zum Essen hinzusetzen, ohne dass sie Probleme mit dem Hirndruck bekommt. Aber schon am nächsten Tag wird es schwieriger, die Ableitung verstopft und muss gespült werden. Wir können Johanna nicht mehr hinsetzen. Die Neurochirurgin spricht mit uns, dass es riskant ist, Johanna einen internen Shunt zu legen, da dieser vermutlich schnell verstopfen wird. Aber wir wollen, dass sie es trotzdem versuchen, damit wir sie endlich mit nach Hause mitnehmen können.

Zu unserer Überraschung hat die Biopsie in der Zwischenzeit doch ein Ergebnis gebracht - es ist ein Glioblastom, bestehend aus ähnlichen Zellen, wie ihr Ursprungstumor. Das heißt der Tumor ist entartet, was passieren kann, vor allem wenn schon einiges an Chemotherapie gegeben worden ist. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass eine Chemotherapie noch helfen würde, zumal man zusätzlich bestrahlen müsste, was absolut unmöglich ist, weil das ganze Gehirn von Johanna bestrahlt werden müsste. Das bestärkt uns in unserer Entscheidung, Johanna schnell nach Hause zu bringen. Sie hat in dieser Woche immer wieder schlimme Kopfschmerzattacken und ihre Herzfrequenz fällt dabei unter 30. Jedes Mal muss der externe Shunt wieder frei gespült werden. Für Donnerstag war die OP mit der Legung eines internen Shunts geplant. Wir sind sehr unsicher, ob das funktionieren kann und natürlich klappt es nicht und sie kommt aus dem OP mit einem neuen externen Shunt. Irgendwie sind wir nicht überrascht und dann letztendlich froh zu erfahren, dass Johanna dann eben so entlassen werden kann, am Samstag vermutlich. Das Palliativteam vom Sonnenhof wird informiert und auch der Pflegedienst will am nächsten Tag kommen, um zu besprechen wie es weitergeht.

Am Freitag morgen hat sie einen Krampfanfall, so dass die Ärzte uns fragen, ob wir nicht heute schon entlassen werden wollen. Was für eine Frage, natürlich. Dann geht alles recht schnell. Der Pflegedienst ist ohnehin gerade vor Ort und wird in die Handhabung des Shunt eingewiesen. Die Ärztin aus dem Kinderhospiz Sonnenhof bespricht wenig später mit den Stationsärzten die aktuelle Medikation, denn Johanna wird mit noch laufenden Infusionen nach Hause gehen. Um die notwendigen Gerätschaften für zu Hause kümmert sich das Palliativteam. Wir müssen nun nur noch auf den Transport warten, der dann gegen 16.30 Uhr kommt. Ein sehr netter Notarzt begleitet uns und Johanna fährt mit Blaulicht nach Hause - logisch sonst hätten wir bei dem Freitagnachmittagstau 2 Stunden nach Hause gebraucht und wir wollen ja möglichst ohne Zwischenfälle ankommen. Johanna fand das sehr lustig und scherzte mit dem Notarzt. Zu Hause angekommen stellt das Treppenhaus ein Problem dar, denn Johanna muss waagerecht nach oben gebracht werden. Kurzentschlossen rufen die Fahrer vom Intensivtransport noch die Feuerwehr dazu. So tragen dann letztendlich 6 starke Männer Johanna hocherhoben in die 3. Etage. Da meint unsere Maus ganz trocken "so bin ich noch nie die Treppe hochgekommen". Wir waren einfach nur froh, als sie in ihrem Bett lag - endlich sind wir zu Hause.

About

Ich bin Daniela und habe diesen Block begonnen, um die Chemotherapie unserer Tochter Johanna zu dokumentieren. Dass daraus ein Blog über die Verarbeitung von Trauer über den Verlust des eigenen Kindes werden würde, hab ich nicht vorausgesehen. Hier möchte ich ihre Geschichte erzählen, damit sie nicht vergessen wird. Aber vielleicht kann ich anderen Betroffenen auch ein wenig helfen.