Unser rätselhaftes Kind

Juli 16, 2012 - Lesezeit: 7 Minuten

Es ist Juli. Letztes Jahr um diese Zeit waren wir noch im Urlaub im Allgäu. Wir haben einen Ausflug mit der Seilbahn gemacht bei fantastischem Wetter. Die Kinder waren gut gelaunt und Johanna sprachlos vor Staunen über diese riesigen Berge – logisch, denn in Berlin gibt’s sowas nicht. Die pralle Sonne da oben hatten wir natürlich unterschätzt, genau wie die Tatsache, dass es bei solchen Steigungen schon mal anstrengend werden kann, ein Kind im Rollstuhl zu transportieren. Aber es war trotz allem ein rundum gelungener Tag, nur dass wir am Abend recht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden. Johanna klagte über Kopfschmerzen. Mein erster Gedanke war, es war falsch, mit ihr ins so grosser Höhe unterwegs zu sein. Andererseits gibt es Kinder, die trotz Shunt mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen, versuchte ich mich zu beruhigen. Bei all ihren medizinischen Problemen und der Schwere der Erkrankung war es eigentlich immer recht unkompliziert mit ihr unterwegs zu sein.  An das Mitschleppen der Medizintechnik hatten wir uns über die Jahre schon gewöhnt, das passierte schon automatisch. Da kann man schon mal "vergessen", dass das Kind einen Shunt hat. Johanna selbst blühte bei solchen Ausflügen immer auf. Sie liebte es draussen zu sein. Gerade die Fahrt mit der Seilbahn war für sie ein unglaubliches Erlebnis und erst die Aussicht, ein Stückchen Himmel zum Greifen nah. Weiterlesen


Sehnsucht

März 15, 2012 - Lesezeit: 5 Minuten

Jeder Morgen beginnt mit dem Gedanken an Johanna, begleitet mich den ganzen Tag bis ich abends ins Bett falle, meist erst spät in der Nacht. Es fällt mir immer noch schwer einzuschlafen. Zu viel ist anders geworden. Dieser Alltag fühlt sich oft falsch an. So normal. Kein Pflegedienst sitzt nachts in der Küche, das brummende Geräusch des Sauerstoffgerätes fehlt schon lange, so wie das Piepen des Monitors. Als ich anfing zu schreiben, waren unsere Tage ausgefüllt, der Terminplaner quoll über, eine logistische Herausforderung, ein Drahtseilakt. Der tägliche Kampf mit der Erkrankung, das Ringen um ihr Leben, um ihre Chance, trotz allem Kind zu sein, unsere Tochter zu sein und zu bleiben, wie sie war, voller Lebensfreude und schier unerschöpflicher Energie und plötzlich ist alles vorbei. Weiterlesen


zwei Wochen Klinik - und dann endlich zu Hause

Juli 24, 2011 - Lesezeit: 5 Minuten

Schon nach dem MRT war klar, dass das hier etwas ganz anderes ist. Im letzten Kontroll-MRT vom April war er wohl schon ganz winzig zu sehen, wie unser Onkologe feststellen musste - so winzig, dass er übersehen wurde, weil ja alle auf die Wirbelsäule achteten. Das hätte ohnehin nichts geändert. Unsere erste Reaktion ist automatisch. Natürlich wollen wir etwas machen, weiterkämpfen, also beschließt man, eine Biopsie (Gewebsentnahme) am Tumor zu versuchen, um festzustellen, was für eine Art Tumor da gewachsen ist. Sie wollen Johanna in derselben OP einen internen Shunt legen, denn der Schlauch aus dem Kopf heraus "fesselt" sie ans Bett und an ein nach Hause gehen, wenn auch nur vorübergehend ist damit nicht zu denken. Wir stimmen zu und warten auf die OP am Freitag. Johanna hat sich von der ersten OP so schnell erholt, dass sie schon am nächsten Tag von der Intensivstation auf die onkologische Station verlegt worden ist. Wir schlafen abwechselnd bei ihr im Krankenhaus, aber es ist sehr eng in dem 2-Bett Zimmer mit 2 Kindern und jeweils einem Elternteil als Begleitperson. Im Verlaufe dieser Woche wird uns klar, dass wir eigentlich nur eines wollen - Johanna so bald wie möglich mit nach Hause nehmen. Weiterlesen


Urlaub mit einem Intensivkind

Juli 24, 2011 - Lesezeit: 2 Minuten

Vier Wochen habe ich nun nicht geschrieben, zwei davon waren wir im Urlaub, der wunderschön war. Wir starteten mit einem Besuch bei einer befreundeten Familie, die selbst auch ein Intensivkind haben. Eine schöne Gelegenheit sich nach langer Zeit endlich wieder einmal persönlich zu treffen und so die lange Fahrt ins Allgäu aufzuteilen. Die ebenerdige Wohnung ist behindertengerecht und es war so toll, Johanna ohne Stolperfallen einfach laufen zu lassen,Terassentür auf und raus in den Innenhof zum spielen, alles ohne gleich das Absauggerät gleich einpacken zu müssen. Das blieb in Reichweite mal drin. Abends saßen wir gemütlich auf der Terasse oder drinnen, das Pulsoximeter problemlos im Blick. Weiterlesen


Eine überraschend gute Woche

Juni 22, 2011 - Lesezeit: 2 Minuten

Dienstag überraschte uns ein Anruf der Klinik. Sie haben wohl für Mittwoch zu 98 % ein Bett auf der kardiologischen überwachungsstation für Johanna, deshalb sollten wir schon früher zur Chemo kommen. Natürlich sah mein Wochenplan anders aus. Ich hatte mir für Mittwoch eine 24 h Betreuung durch den Pflegedienst gewünscht und sogar bekommen. So hätte ich in Ruhe die letzten Vorbereitungen für den Urlaub angehen können. Schöne Idee, aber hat nicht funktioniert, wie üblich.
Also Pflegedienst absagen und sich seelisch und moralisch auf 2 Tage Klinikstress einrichten. Für Mascha kann glücklicherweise meine Mutter da sein, die gerade wieder in Berlin ist. Mascha freut sich sehr über die zusätzliche Omazeit und schon schwindet mein ärger und ich beginne die Vorteile zu sehen. Weiterlesen


Wie soll es weiter gehen

Juni 19, 2011 - Lesezeit: 6 Minuten

Die Zeit rennt und der Tag hat irgendwie nie genug Stunden für all die Dinge, die zu tun sind. In dieser Woche blieb nicht mal Zeit, um mal zwischendrin "Revue passieren" zu lassen. Jetzt am Sonntag nutze ich nun endlich ein paar freie Minuten, um die Gedanken zu sortieren. Mascha hat ihre Schulfreundin zu Besuch, schon seit gestern. Das Mädchen ist auch körperbehindert und so parken nun zwei Rollstühle neben unserem Fahrstuhl. Die Beiden kennen sich schon seit der 1. Klasse und sind noch immer ein Herz und eine Seele. Es war nicht einfach diese Freundschaft zu halten, denn beide gehen inzwischen in unterschiedliche Klassen und ein Besuch nach der Schule ist ausgeschlossen, da wir an entgegengesetzten Enden der Stadt wohnen. Das ist der Nachteil einer Förderschule. Solche Besuchswochenenden müssen geplant sein und es ist umso schöner zu sehen, wie gut sie sich verstehen. Gleichzeitig seh ich Johanna, die niemanden hat, mit dem sie derart verbunden ist. Weiterlesen


About

Ich bin Daniela und habe diesen Block begonnen, um die Chemotherapie unserer Tochter Johanna zu dokumentieren. Dass daraus ein Blog über die Verarbeitung von Trauer über den Verlust des eigenen Kindes werden würde, hab ich nicht vorausgesehen. Hier möchte ich ihre Geschichte erzählen, damit sie nicht vergessen wird. Aber vielleicht kann ich anderen Betroffenen auch ein wenig helfen.