In den nächsten 3 Tagen warten und hoffen wir, das heisst wir warten auf einen freien Platz im übervollen OP-Plan und hoffen, dass es dann gelingt, einen internen Shunt zu legen. Die Chirurgen wollen bei dieser OP gleich noch Zellen vom Tumor entnehmen, um dann vielleicht genauer untersuchen zu können, was dort wächst. Das ist für uns allerdings zweitrangig, viel wichtiger ist, dass wir sie mit einem internen Shunt recht schnell nach Hause holen könnten. Endlich nach Hause - genau das wollen wir für sie und für uns. Weiterlesen
Die Ankunft in der Klinik kann man fast als komisch bezeichnen. Zeitgleich kommen wir dort an, Micha vom Parkplatz, den er sicher eine Weile suchen musste, mit Mascha und einer munteren Johanna im Rollstuhl, die mir mit hochgestreckten Armen winkt und ich direkt von der U-Bahn. Das Gefühl der Erleichterung ist überwältigend, denn sie ist noch da - unsere Johanna - und wir sind zusammen. So war es schon immer, bei jeder dramatischen Krise kam der jeweils andere Partner sofort. Meistens war es Micha, der auf Arbeit alles stehen und liegen lassen musste. Heute ist es mal umgekehrt. Aber dieser Kampf kämpft sich leichter zu zweit, wobei leicht das falsche Wort ist, ich würde sagen, es ist nur so auszuhalten. Micha erzählt mir, dass sie während der Fahrt aufgewacht ist und seit dem singt sie fröhlich Bosse-Lieder mit. Mensch Mäuschen, sage ich, wenn Du willst, dass ich noch frei nehme, hättest du das einfach sagen sollen und nicht so ein Drama veranstalten. Wir müssen alle lachen. Weiterlesen
Es ist Juli. Letztes Jahr um diese Zeit waren wir noch im Urlaub im Allgäu. Wir haben einen Ausflug mit der Seilbahn gemacht bei fantastischem Wetter. Die Kinder waren gut gelaunt und Johanna sprachlos vor Staunen über diese riesigen Berge – logisch, denn in Berlin gibt’s sowas nicht. Die pralle Sonne da oben hatten wir natürlich unterschätzt, genau wie die Tatsache, dass es bei solchen Steigungen schon mal anstrengend werden kann, ein Kind im Rollstuhl zu transportieren. Aber es war trotz allem ein rundum gelungener Tag, nur dass wir am Abend recht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden. Johanna klagte über Kopfschmerzen. Mein erster Gedanke war, es war falsch, mit ihr ins so grosser Höhe unterwegs zu sein. Andererseits gibt es Kinder, die trotz Shunt mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen, versuchte ich mich zu beruhigen. Bei all ihren medizinischen Problemen und der Schwere der Erkrankung war es eigentlich immer recht unkompliziert mit ihr unterwegs zu sein. An das Mitschleppen der Medizintechnik hatten wir uns über die Jahre schon gewöhnt, das passierte schon automatisch. Da kann man schon mal "vergessen", dass das Kind einen Shunt hat. Johanna selbst blühte bei solchen Ausflügen immer auf. Sie liebte es draussen zu sein. Gerade die Fahrt mit der Seilbahn war für sie ein unglaubliches Erlebnis und erst die Aussicht, ein Stückchen Himmel zum Greifen nah. Weiterlesen
Jeder Morgen beginnt mit dem Gedanken an Johanna, begleitet mich den ganzen Tag bis ich abends ins Bett falle, meist erst spät in der Nacht. Es fällt mir immer noch schwer einzuschlafen. Zu viel ist anders geworden. Dieser Alltag fühlt sich oft falsch an. So normal. Kein Pflegedienst sitzt nachts in der Küche, das brummende Geräusch des Sauerstoffgerätes fehlt schon lange, so wie das Piepen des Monitors. Als ich anfing zu schreiben, waren unsere Tage ausgefüllt, der Terminplaner quoll über, eine logistische Herausforderung, ein Drahtseilakt. Der tägliche Kampf mit der Erkrankung, das Ringen um ihr Leben, um ihre Chance, trotz allem Kind zu sein, unsere Tochter zu sein und zu bleiben, wie sie war, voller Lebensfreude und schier unerschöpflicher Energie und plötzlich ist alles vorbei. Weiterlesen
Schon nach dem MRT war klar, dass das hier etwas ganz anderes ist. Im letzten Kontroll-MRT vom April war er wohl schon ganz winzig zu sehen, wie unser Onkologe feststellen musste - so winzig, dass er übersehen wurde, weil ja alle auf die Wirbelsäule achteten. Das hätte ohnehin nichts geändert. Unsere erste Reaktion ist automatisch. Natürlich wollen wir etwas machen, weiterkämpfen, also beschließt man, eine Biopsie (Gewebsentnahme) am Tumor zu versuchen, um festzustellen, was für eine Art Tumor da gewachsen ist. Sie wollen Johanna in derselben OP einen internen Shunt legen, denn der Schlauch aus dem Kopf heraus "fesselt" sie ans Bett und an ein nach Hause gehen, wenn auch nur vorübergehend ist damit nicht zu denken. Wir stimmen zu und warten auf die OP am Freitag. Johanna hat sich von der ersten OP so schnell erholt, dass sie schon am nächsten Tag von der Intensivstation auf die onkologische Station verlegt worden ist. Wir schlafen abwechselnd bei ihr im Krankenhaus, aber es ist sehr eng in dem 2-Bett Zimmer mit 2 Kindern und jeweils einem Elternteil als Begleitperson. Im Verlaufe dieser Woche wird uns klar, dass wir eigentlich nur eines wollen - Johanna so bald wie möglich mit nach Hause nehmen. Weiterlesen
Vier Wochen habe ich nun nicht geschrieben, zwei davon waren wir im Urlaub, der wunderschön war. Wir starteten mit einem Besuch bei einer befreundeten Familie, die selbst auch ein Intensivkind haben. Eine schöne Gelegenheit sich nach langer Zeit endlich wieder einmal persönlich zu treffen und so die lange Fahrt ins Allgäu aufzuteilen. Die ebenerdige Wohnung ist behindertengerecht und es war so toll, Johanna ohne Stolperfallen einfach laufen zu lassen,Terassentür auf und raus in den Innenhof zum spielen, alles ohne gleich das Absauggerät gleich einpacken zu müssen. Das blieb in Reichweite mal drin. Abends saßen wir gemütlich auf der Terasse oder drinnen, das Pulsoximeter problemlos im Blick. Weiterlesen